Workshop 1: Qualifizierungsprozesse und Professionalisierung
Wie kann die Agenda einer reformierten Ausbildung, Weiterbildung und Hochschulqualifikation in der Pflege gesellschaftlich wirksam werden? Welche Widersprüche und Ambivalenzen liegen vor? Wie und durch welche Institutionen können sie aufgefangen oder bereinigt werden? Was behindert also die weitere Professionalisierung der Pflege im Bereich der Ausbildung (an Pflegeschulen), der Weiterbildung (an privaten, freigemeinnützigen und öffentlichen Institutionen) und der Akademisierung (an Fachhochschulen und Universitäten) – und trägt am Ende zu einer De-Professionalisierung bei? Welche Konstruktionen, welches politische (Des-)Interesse und welche weiteren Dynamiken (ökonomisch, gesellschaftlich) sind hierfür relevant? Wie kommt es dazu, dass die (männlich) besetzte Medizin hohe gesellschaftliche Anerkennung und Durchsetzungsfähigkeit genießt, die (weiblich) konnotierte Pflege aber letztlich in einer Assistenzfunktion verharrt, auch habituell? Aber auch umgekehrt gefragt: Welche Dynamiken weisen in die „richtige“ Richtung? Welche Kooperationen, Unterstützungen und systemische Entwicklungen sind hier auszumachen? Es ist zu fragen, welche Rolle die Pflege angesichts und innerhalb zu beobachtender Innovationen übernommen hat und künftig übernehmen kann und wird.
Workshop 2: Intersektionalität und Interkulturalität
Die hier zu diskutierenden Aspekte betreffen Fragen von Gender, kultureller Heterogenität und sozialer Ungleichheit. Diversität in jeder Hinsicht gehört zum Alltag auf allen Ebenen. Unterschiedliche Generationen, Qualifikationen und Herkunft der Pflegepersonen eines Teams stellen den pflegerischen Alltag vor immer neue Prüfsteine bei Kommunikation und professionellem Selbstverständnis. Welche Arbeitsbedingungen ändern sich wie durch Interkulturalität innerhalb der Teams und bei den Klientinnen/Klienten? Vor welche Herausforderungen, veränderte Zuständigkeiten, Tätigkeiten und Arbeitsweisen werden die Pflegekräfte durch unterschiedliche, auch kulturell begründete Bedürfnisse und neue Aufgabenfelder, gestellt? In welcher Art und Weise wird auf soziale Ungleichheit in der Pflege reagiert? Die zentrale Problemstellung lautet, welche Einflüsse die Verschränkung der o.g. Aspekte auf Prozesse der Professionalisierung hat. Wo wird sie befördert? Wo wirkt die Entwicklung als Blockade? Wie müssen Rahmenbedingungen, Haltung, Kommunikation sich entwickeln, um das zu ändern – und zwar auf allen betroffenen Ebenen von der Gesetzgebung bis zur Arbeit im Team? Somit sind Aspekte von Gerechtigkeit, Anforderungen und Erwartungen – der Pflegenden, der betroffenen Klientel, der Einrichtungen – ins Zentrum der Diskussion zu rücken. Eindrücke finden Sie hier.
Workshop 3: Intra- und Interpflegerische Kooperation
Die Zusammenarbeit mit anderen Professionen als konstitutiver Bestandteil pflegerischer Arbeit bedeutet Kommunikation mit Angehörigen anderer Professionen; die pflegerische Arbeit ist Kommunikation mit Klientinnen/Klienten und ihren Zugehörigen. Systemtheoretisch betrachtet hat die Gesellschaft unterschiedliche gesellschaftliche Institutionen ausgebildet, „die auf die Bearbeitung sozialer Probleme spezialisiert sind“ (Groenemeyer 2010: 13); dazu gehören auch die Organisationen des Gesundheitssystems. Innerhalb dieser Organisationen folgen die unterschiedlichen Professionen wiederum ihrer eigenen, spezifisch für ihren Bereich ausgebildeten Logik. Wie kann es gelingen, jenseits hierarchiebedingter Weisungsbefugnisse eine faire Kooperation zu erzielen? Welche Chancen bietet die Leitlinienarbeit in der intra- und interdisziplinären Zusammenarbeit? Wie kann wechselseitige Wertschätzung als Basis einer solchen Kommunikation auf Ebene der Teams, der Organisation, der Gesellschaft habitualisiert bzw. als integraler Bestandteil umgesetzt werden? Welche Rahmenbedingungen müssen dazu geändert werden? Ist „Disziplinierung“ (Reichertz 2009: 219ff.) im Sinne einer Ausrichtung am sozialen Miteinander mit dem Ziel des Schaffens einer kommunikativen Ermöglichungsstruktur auf Ebene der Teams und der Organisation möglich? Überlagern oder beeinflussen andere Aspekte der Zusammenarbeit wie Fragen des Umgangs mit Hierarchie und Diversität Fragen der Kommunikation?
Workshop 4: Ökonomisierung und gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Die oben skizzierten Entwicklungen sind nicht nur negativ zu beurteilen, aus ihnen erwachsen auch Entwicklungsmöglichkeiten für die Pflege. Folgende Fragen stellen sich: Welche Sollbruchstellen u.a. im Sozial- und Berufsrecht müssen angegangen werden, damit am Ende eine unabhängige und selbstverantwortliche Tätigkeit in der Pflege ermöglicht und nicht konterkariert wird? Welche Anpassungen der finanziellen Ausgestaltung u.a. des Leistungsrechtes sind vorzunehmen? Welche Änderungen in den Systemlogiken des Gesundheitswesens sind erforderlich, damit sich Professionalisierungsansätze voll entfalten können? Welche Erfahrungen aus dem Ausland – vor allem aus den skandinavischen Ländern, Kanada und Großbritannien – können für das deutsche Pflegesystem fruchtbar gemacht werden? Wie kann es gelingen, dass gerade in der Langzeitpflege Pflegenden zugestandene hohe Gestaltungspotential auszuschöpfen, etwa durch Lehrpflegeheime? Damit stellt sich auch im Hinblick auf die Rahmenbedingungen ebenfalls die Frage: Wer und was treibt die Professionsentwicklung voran, wer oder was behindert und blockiert sie – und aus welchen Gründen? Dabei geht es nicht um moralische Bewertungen, sondern um eine kritische Analyse mit Hilfe pflege- und sozialwissenschaftlicher Perspektiven.
Workshop 5: Internationaler Vergleich
Aufgrund des hohen Nachholbedarfs, den Deutschland hinsichtlich der Pflegewissenschaft sowie der Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Pflegepraxis hat, werden die in den ersten vier Workshops gewonnenen Erkenntnisse hier mit internationalen, für den jeweiligen Bereich ausgewiesenen Expertinnen/Experten diskutiert. Deren Erfahrungen sollen im Hinblick auf Desiderate, Umsetzungsmöglichkeiten, zusätzliche Perspektiven, systemische Voraussetzungen und Veränderungserfordernisse hinsichtlich der Rahmenbedingungen mit der nationalen Situation abgeglichen und in konkrete Forschungsvorhaben umgesetzt werden. Gemäß dem Grundsatz, dass das „was“ immer nur mit dem „wie“ zusammen zu denken ist, die Wahl der Methode immer auch die der Gegenstandsangemessenheit ist[1], wird es in diesem abschließenden Workshop auch darum gehen, die diskutierten und identifizierten Fragestellungen und Themen mit den zu ihrer Erforschung notwendigen Methoden zusammenzubringen und methodologische wie methodische Fragen bei den konkreten, im Rahmen der Netzwerkarbeit entwickelten Forschungsideen jeweils mitzudenken.
[1] etwa Reichertz 2000, 2019; Nover 2015, 2022