Wir gehen von der Überlegung aus, dass ambivalente Entwicklungstrends im Gesundheitswesen kognitive und verhaltensrelevante Transformationen in der Pflege zur Folge haben. Dabei wird pflegerische Arbeit zunehmend individualisiert, privatisiert und kommerzialisiert. Neuere Daten zeigen eine „Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruch der Pflegefachkräfte an professionelle Pflege und dem, was unter den gegebenen Bedingungen möglich ist“ (Mohr et al. 2020: 208). Bestrebungen, die Pflege hinsichtlich Fachlichkeit, Autonomie und Eigenverantwortlichkeit zu professionalisieren, werden durch Arbeitsbedingungen konterkariert, die letztlich durch Taylorisierung, Segmentierung und Kostendruck gekennzeichnet sind. Die Folgen sind ein Absenken der professionellen Standards in der Alltagsarbeit sowie die Erosion des Pflegeethos der Fachkräfte, wenn das o.g. Spannungsfeld als Dauerstress empfunden und als unveränderbar wahrgenommen wird. Empirische Befunde weisen auf einen „moralischen Stress“ (Kleinknecht-Dolf u.a. 2015) bei Pflegenden hin, die ihre Ideale nicht verwirklichen können und unter Anpassungsdruck geraten (vgl. hierzu insgesamt: Schloeder 2016). Der in der Regel als äußerst belastend empfundene Widerspruch zwischen eigenem Anspruch und alltagspraktischen Möglichkeiten führt nicht selten zu „Coolout“-Strategien (Kersting 2011; 2016), mit der Tendenz zur Ausbildung von Gleichgültigkeit und Verdrängung.